Der Ministerrat zählt maximal fünfzehn Mitglieder. Zum Ministerrat gehören, eventuell mit Ausnahme des Premierministers, genauso viele französischsprachige wie niederländischsprachige Minister.

Die Staatssekretäre gehören nicht zum Ministerrat. Formell gesehen nehmen die Staatssekretäre an den Sitzungen des Ministerrates nur zur Prüfung der Akten teil, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen oder die sie im Besonderen betreffen. Offiziell zählen sie also nicht zu den Mitgliedern des Ministerrates. In der Praxis geschieht es gelegentlich, dass die Staatssekretäre an der gesamten Sitzung des Ministerrates teilnehmen. Die frühere Unterscheidung zwischen Ministerrat (ausschließlich Minister) und Regierungsrat (Minister und Staatssekretäre) ist damit hinfällig.

An den Sitzungen nehmen ausschließlich die Minister, Staatssekretäre (gegebenenfalls) und der Sekretär des Ministerrates teil. In sehr seltenen Ausnahmefällen können Experten oder Techniker zu den Sitzungen hinzugezogen werden. Im Normalfall müssen diese Personen den Sitzungssaal verlassen, sobald die Diskussion über das betreffende Thema beendet ist.

Der Sekretär des Ministerrates ist bei den Sitzungen anwesend. Er steht als Schlüsselfigur in Kontakt mit dem Sekretariat, um zusätzliche Informationen oder Unterlagen anzufordern. Am Ende der Ratssitzung gibt er die Beschlüsse an das Sekretariat weiter, wo sie als Notifikationen niedergeschrieben werden.

Während der Sitzungen nehmen die Minister an einem großen ovalen Tisch Platz. Sie haben dort ihren festen Sitzplatz, der unter anderem nach der Rangfolge festgelegt wird. Es ist üblich, dass sich die Sitzungsteilnehmer in ihrer Sprache äußern.

Der Ministerrat ist eines der wichtigsten “Epizentren“ in der belgischen Politik. Er berät und entscheidet über die allgemeine Politik und ist das Forum, wo man wöchentlich auf den politischen Zusammenhalt der Regierungskoalition schaut.

Der Ministerrat beschließt:

  • sämtliche Entwürfe für Königliche Erlasse, die, gemäß der Verfassung oder eines Gesetzes, Gegenstand einer vorherigen Beratung im Ministerrat sein müssen
  • Beschlussentwürfe mit dem Ziel:
    • eine Überziehung der festgelegten Kredite zu genehmigen
    • einen vorläufigen Sichtvermerk beim Rechnungshof zu beantragen
    • den Sichtvermerk des Rechnungshofes aufzuerlegen
  • die Einreichung einer Nichtigkeitsklage beim Verfassungshof für einen Erlass oder eine Verordnung

Der Ministerrat muss ebenfalls über Fragen bezüglich der Regierungsverantwortung beraten. Dies sind:

  • Vorentwürfe für Gesetze
  • Entwürfe für Kooperationsabkommen, an denen der Staat beteiligt ist
  • Vorentwürfe für Gesetze über die Zustimmung zu Kooperationsabkommen
  • Entwürfe für Königliche oder Ministerialerlasse mit erheblichen Auswirkungen auf die Politik oder den Haushalt
  • Entwürfe für Rundschreiben mit finanziellen Auswirkungen auf den Haushaltsplan
  • Sämtliche Fragen, die die Regierungssolidarität schädigen könnten

Der Ministerrat benennt ebenfalls diejenigen Regierungsmitglieder, die die Regierung bei offiziellen Anlässen vertreten. Er regelt die interne Arbeitsweise in der Regierung und trifft Entscheidungen über die Vergabe von nationalen Ehrenauszeichnungen.

Über alle aktuellen Angelegenheiten oder Ereignisse, die die nationale öffentliche Meinung bzw. die Beziehungen zum Ausland betreffen, wird ebenfalls im Ministerrat beraten.

Die Entscheidungen im Ministerrat werden kollegial gefasst, basierend auf einem Konsens. Es erfolgt also keine Abstimmung. Die Regierungsmitglieder debattieren so lange, bis sie zu einer Entscheidung gelangen. In der Öffentlichkeit sind sie für diese Entscheidung solidarisch verantwortlich. Die Debatten sind geheim und die Berufsethik der Minister verlangt nach größtmöglicher Diskretion.

Der Premierminister schließt die Debatte ab, wenn er feststellt, dass ein Konsens erreicht ist und trifft eine Entscheidung, die von der Regierung solidarisch getragen wird. Ein Regierungsmitglied kann also nicht öffentlich Vorbehalte zu einem kollegial gefassten Beschluss äußern. Dies gilt insbesondere für Vorentwürfe von Gesetzen sowie Entwürfe für Königliche Erlasse, die einer Unterschrift des Staatschefs bedürfen. Die Regierungssolidarität gewährleistet den Zusammenhalt innerhalb der Regierungskoalition, wie wir sie in Belgien kennen.

Wird kein Konsens erreicht, wird die Akte zurückgesendet. Im Allgemeinen befasst sich daraufhin eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der strategischen Organe der Minister, mit dem Thema, um mit Hilfe von Vorschlägen und Gegenvorschlägen einen Konsens vorzubereiten.

Bei der Regierungsbildung verteilt der neue Premierminister an jeden Minister und Staatssekretär eine Sammlung mit einer Anzahl von Richtlinien über:

  • die Berufsethik der Minister
  • die Arbeitsweise der Regierung
  • die Arbeitsweise des Ministerrates

In den Richtlinien ist neben dem Datum und der Uhrzeit der Sitzungen auch festgelegt, welche Akten auf welche Weise etc. an den Ministerrat übergeben werden müssen. Normalerweise trifft der Ministerrat einmal wöchentlich, am Freitagmorgen um 10:00 Uhr, in der Rue de la Loi, 16 zusammen. Dort befinden sich auch das Sekretariat und die strategischen Dienste sowie die Kanzlei des Premierministers.

Will ein Regierungsmitglied eine Akte auf die Tagesordnung einer Sitzung des Ministerrates setzen, stellt er einen Antrag beim Sekretär oder beim Sekretariat des Rates. Dieser Antrag beinhaltet:

  • eine einleitende Mitteilung in beiden Landessprachen, die mit einem klaren und konkreten Entscheidungsvorschlag abgeschlossen wird
  • das Dokument, über das der Ministerrat entscheiden soll, z.B. den Vorentwurf eines Gesetzes oder den Entwurf eines Königlichen Erlasses und, je nachdem, die Erläuterungen oder das Gutachten für den König
  • Dokumente zur eventuellen Vervollständigung der Akte, wie:
    • Gutachten des Staatsrates
    • Gutachten der Finanzinspektion
    • Die Anordnungsfolgenanalyse: vorangehende Beurteilung der potentiellen Folgen von Entwürfen von Vorschriften auf wirtschaftlichem, umwelttechnischem und sozialem Gebiet und für die Behörden
  • Frühere Entscheidungen des Ministerrates und Bezug zu den aktuellen Unterlagen
  • Vollständige und korrekte Zusammenstellung der Unterlagen
  • Vorliegen der unterzeichneten Originalmitteilung des Ministers. Stammt der Antrag von einem Staatssekretär, muss dieser vom Minister, der die Dienstaufsicht ausübt, gegengezeichnet werden
  • Wird eine Akte von mehreren Regierungsmitgliedern eingereicht, wird zunächst geprüft, ob eine vorherige Absprache  stattgefunden hat
  • Konsultation der beratenden Organe
  • Gutachten der Finanzinspektion und Zustimmung des Regierungsmitgliedes, in dessen Zuständigkeitsbereich der Haushalt oder das öffentliche Amt fällt
  • Die in vielen Fällen gesetzlich geforderte, vorherige Konsultation der Regierungen der Gemeinschaften und der Regionen, der Gewerkschaften und anderer Institutionen

Bestehen keine grundsätzlichen Einwände, wird das Thema auf den Entwurf der Tagesordnung gesetzt. Der Sekretär des Ministerrats und das Sekretariat besprechen im Laufe des Montags den Entwurf der Tagesordnung aufgrund von budgetären, technischen, rechtlichen und administrativen Merkmalen.

Der Tagesordnungsentwurf, der inzwischen eine endgültige Tagesordnung geworden ist, wird an die Regierungsmitglieder und alle weiteren Betroffenen, wie das Königliche Kabinett, die Präsidenten der föderalen öffentlichen Dienste usw. weitergeleitet.

Die Tagesordnung und die Unterlagen sind vertraulich. Die Minister und Staatssekretäre haben folglich darauf zu achten, dass sie es auch bleiben.

Unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ verbergen sich Mitteilungen des Premierministers oder eines anderen Regierungsmitgliedes an den Ministerrat. Möchte ein Regierungsmitglied eine Mitteilung machen, reicht er beim Sekretariat im Vorfeld eine so genannte „speaking note“ ein.

Die Beschlüsse des Ministerrates sind üblicherweise Gegenstand eines kurzen Textes, der die wesentlichen Punkte der Entscheidung, genannt „Notifikation“, aufgreift. Die Notifikationen werden vom Sekretariat des Ministerrates verfasst und vom Sekretär unterzeichnet.

Die Notifikationen werden daraufhin an die Regierungsmitglieder gesendet, die das Recht haben, die Beschlüsse anzufechten. Die endgültigen Notifikationen werden ebenfalls an die jeweiligen Präsidenten der Kammer und des Senats weitergeleitet. Von den eigentlichen Debatten wird kein Protokoll angefertigt. Die Notifikationen dienen als Sitzungsprotokoll.

Seit September 1944 werden die offiziellen Unterlagen des Ministerrates in der Rue de la Loi, 16 aufbewahrt. Die Datenbank für Regierungsdokumente, E-Premier, enthält sämtliche Unterlagen und alle Beschlüsse seit 1989. Die Unterlagen des Premierministers sind sein persönliches Eigentum, aber fast alle ehemaligen Premierminister haben ihre persönlichen Archive den allgemeinen Archiven des Königreiches zur Verfügung gestellt.

In der derzeitigen Gesetzgebung ist festgelegt, dass die Archive erst nach 30 Jahren zugänglich sind. Das Königliche Kabinett, die Kanzlei und das Allgemeine Reichsarchiv haben dennoch vereinbart, die Protokolle in Paketen von jeweils 10 Jahren zugänglich zu machen. Die Protokolle des Ministerrates von 1918 bis 1979 können online auf der Interseite Archive des Königreiches eingesehen werden. http://extranet.arch.be/lang_pvminister.html

Nach der Ministerratssitzung werden Pressemitteilungen über die Beschlüsse des Rates der Presse übergeben und den Bürgern zur Verfügung gestellt. Das Generaldirektorat für externe Kommunikation ist für diese Pressemitteilungen verantwortlich. Das Direktorat verfasst sie, verbreitet sie über Mailing und veröffentlicht sie auf news.belgium.be.

Normalerweise gibt der Premierminister am Freitagnachmittag, nach Abschluss der Ministerratssitzung eine Pressekonferenz, wo er allein oder zusammen mit weiteren Ministern die gefassten Beschlüsse kommentiert. Die anwesenden Journalisten erhalten bei der Gelegenheit eine Pressemappe.

Der Ministerrat hat seinen Ursprung im “Rat der Minister des Königreiches der Niederlande“. Die Minister waren zu dem Zeitpunkt ausschließlich dem König (Wilhelm I.) gegenüber verantwortlich und nicht den Generalständen (dem damaligen Parlament). Der König musste sich also regelmäßig mit seinen Ministern über die Staatsführung beraten.

In den ersten Jahren der Unabhängigkeit Belgiens war der Ministerrat die Sitzung der Minister unter dem Vorsitz des Königs. König Leopold I. (1835-1865) vertrat die Ansicht, dass die Minister seine persönlichen Mitarbeiter waren und dass damit jeder von ihnen individuell für sich verantwortlich war. Am Ende seiner Herrschaft weigerte sich König Leopold I. immer stärker, dem Ministerrat vorzusitzen. König Leopold II (1865-1909) seinerseits akzeptierte die Entwicklung hin zu einer politischen Verantwortung der Regierung gegenüber dem Parlament, unabhängig vom Vertrauen des Königs. So veränderte sich der Ministerrat schrittweise zu einem autonomen Organ. König Leopold II. übernahm dennoch weiterhin bei wichtigen Fragen den Vorsitz im Ministerrat. Dadurch, dass allerdings die Probleme immer komplexer wurden und sich die Beschlüsse des Ministerrates in immer direkterer Form auswirkten, gestaltete es sich immer schwieriger für den König, den Vorsitz im Rat zu übernehmen. Zudem fand unter der Herrschaft von Leopold II. eine wichtige Reform des Wahlsystems statt, die dazu führte, dass das Vertrauen des Parlaments langsam stärker gewichtet wurde als das Vertrauen des Königs.

Infolge der sozialen Entwicklung musste der König schrittweise den Vorsitz im Ministerrat an den Kabinettschef abtreten. Letzterer bildete fast immer die Regierung und trug später den Titel „Premierminister“. Der König behielt dennoch formell das Recht bei, dem Ministerrat vorzusitzen.

Dieser Trend setzte sich unter Albert I. (1909-1934) fort. Dabei muss allerdings hervorgehoben werden, dass König Albert I. den Ministerrat während des gesamten Kriegszeitraumes von 1914-1918 geleitet hat. Nach Einführung des einheitlichen allgemeinen Wahlrechts gab es nach dem Krieg in Belgien zwei Koalitionsregierungen. Der zum Premierminister avancierte „Kabinettschef“ trat als Regierungschef und Koordinator der Regierungstätigkeiten in den Vordergrund. Bei der Inauguration des Königs Leopold III. (1934-1951) war es nicht mehr üblich, dass der König den Vorsitz im Ministerrat übernahm. König Leopold III. hat dem Ministerrat nur dreimal vorgesessen. Prinz Charles (1944-1950) hat während seiner Regentschaft wiederholt den Vorsitz im Ministerrat übernommen, um sich über wichtige Gesellschaftsprobleme zu informieren. Er nahm dabei allerdings nicht wirklich an den Debatten teil. König Baudouin (1950-1951-1993) hat zweimal den Vorsitz im Ministerrat übernommen und zwar am 3. Dezember 1951 und 13. November 1957.